Dr. Simon Springmann im Interview – New Work Trends: Design Thinking und Co. im Überblick

Dieses Interview wurde von Claudia Blum geführt und auf Management Circle veröffentlich. Der Original Artikel findet sich hier www.management-circle.de/blog/new-work-design-thinking/

Hinter dem Begriff New Work steckt für viele Personalverantwortliche ein schlecht greifbarer Begriff, ebenso wie hinter einigen der Tools und Methoden, die mit Arbeiten 4.0 einhergehen. Unser Experte Dr. Simon Springmann bringt für Sie Licht ins Dunkel und erklärt insbesondere, was Design Thinking ist und welche Vorteile sich bei richtigem Verständnis daraus ergeben.

New Work: Diese Trends erwarten uns

Was sind für Sie die Trends der Arbeitswelt 4.0? Wie werden wir Ihrer Meinung nach künftig arbeiten?

Unsere Arbeitswelt wird in der Zukunft maßgeblich durch die fortschreitende Digitalisierung geprägt. Dies hat Konsequenzen für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und Organisationen. Zunächst zu den Mitarbeiter*innen:

  1. Sämtliche repetitive Tätigkeiten, egal ob manuell oder kognitiv, werden radikal auf den Prüfstand gestellt werden, und, falls betriebswirtschaftlich vorteilhaft, über kurz oder lang an Maschinen und Roboter abgegeben. Es werden sich neue Formen des Coworking zwischen Menschen und „Cobots“ ergeben.
  2. Die Anforderungen an die tätigen Menschen werden sich verschieben hin zu Kreativität und Innovation, Umgang mit Komplexität und (Selbst-)Management.
  3. Gleichzeitig steigt aufgrund der Demografie die Marktmacht der „best talents“, die diese Anforderungen leisten können. „Best talents“ können sich Arbeitgeber beziehungsweise Projekte immer wieder neu aussuchen und sind allenfalls „episodisch“, also für eine bestimmte Zeit und Phase, loyal. Als sinnvoll erachtete Tätigkeiten stehen im Mittelpunkt, ebenso Arbeitsbedingungen (Soft Factors, wie Annehmlichkeiten) und eine ausgewogene Work Balance. Bei den launchlabs haben wir beispielsweise einen persönlichen Fitnesstrainer, eine 32-Stunden-Woche und stimmen uns im Team ab, ob wir bestimmte Projekte als sinnvoll erachten und dementsprechend machen wollen oder nicht.

Arbeitswelt 4.0: Konsequenzen für Unternehmen

Für Unternehmen wird die Transformation hin zu einer agilen Arbeitskultur eine permanente Aufgabe, vor allem für Organisationen, die von Disruptionswellen betroffen sind. Wir bei launchlabs sehen hier drei konkrete Ansatzpunkte, um von Getriebenen der globalen Disruption zu aktiv Mitspielenden und Gestaltenden zu werden, also sozusagen zu Surfern und Surferinnen, die die Wellen der Disruption reiten können:

  • Training und Weiterbildung als zentrale und permanente Aufgaben für lernende Organisationen. Dabei geht es nicht nur um die Vermittlung von Methoden, Fähigkeiten, Fertigkeiten oder Prozesswissen, sondern zunehmend um ein agiles Mindset. In einem solchen Mindset stehen Selbstmanagement und Intrapreneurship, der Umgang mit Komplexität sowie Teamarbeit und Kreativität im Mittelpunkt. Für agile Führungskräfte kommt insbesondere noch die Reflexion auf der Metaebene hinzu: „Was bedeutet es, in einem agilen Setup Führungskraft zu sein? Wieviel Kontrolle ist nötig, wieviel Coaching möglich? Wie kann ich mein Team bestmöglich ermächtigen, komplexitätsadäquate Lösungen zu erarbeiten?“
  • Agile Projekte in Situationen, in denen agile Methoden wie Design Thinking, Lean Start-Up oder Scrum geeigneter sind als herkömmliche Methoden. Dies ist vor allem bei komplexen Problemstellungen aus dem Bereich Strategie und Innovation der Fall, bei denen (im Unterschied zu komplizierten Problemen) nicht nur die Lösung unbekannt ist, sondern auch der Lösungsweg. Dabei kommt es aus unserer Sicht zunehmend auf die intelligente Verschränkung der oben genannten agilen Methoden an. Smarte Interfaces zu bauen und sich nicht in ein „Methodensilo“ zu begeben, macht den Unterschied aus und bedeutet das nächste Level von agiler Projektarbeit.
  • Der dritte Ansatzpunkt ist die Gestaltung einer Arbeitsumgebung, die agiles Arbeiten erleichtert und fördert: Innovationsteams brauchen ein freies Spielfeld und gleichzeitig unterstützende Strukturen, um ihre Ideen zum Fliegen zu bringen. Die Bandbreite der Aktivitäten reicht hier vom Entwickeln von flexiblen Teamarbeitsumgebungen (inklusive Workspace Design und Ausstattung mit agilen Möbeln) bis hin zu Prozesslandschaften und unterstützenden IT-Systemen. Wir arbeiten zum Beispiel mit Trello und Slack, haben aber auch eigene IT-Lösungen im Portfolio wie unsere Flowtomator-App für die einfache und wirkungsvolle Planung und Vorbereitung agiler Workshops. Weil es auf dem Markt keine geeignete Lösung gab, sind wir mit der Marke „what if we fly“ mittlerweile sogar Möbel- und Whiteboardproduzent geworden.

Design Thinking als Methodenbaukasten

Können Sie uns kurz mit eigenen Worten erklären, was sich hinter Design Thinking verbirgt?

Design Thinking versucht im Grunde genommen die Art und Weise, wie Designer und Architekten implizit schon immer gearbeitet haben, explizit zu machen. Das bedeutet, dies in einen (iterativen, nicht-linearen) Prozess zu gießen und somit auch Nicht-Designern zugänglich zu machen. Design Thinking umfasst dabei neben einer ganzen Reihe von Methoden und einen Prozess, der divergente (öffnende) und konvergente (schließende) Elemente beinhaltet. Zusätzlich ist ein bestimmtes Mindset, eine Geisteshaltung, entscheidend.

Diese Geisteshaltung ist zuallererst durch eine radikale Nutzerzentriertheit geprägt. Es wird grundsätzlich versucht, von dem her zu denken. Erst dann werden die Machbarkeit und finanzielle Tragfähigkeit geprüft. Jetzt werden Sie sagen: „Aber nutzerzentriert waren gute Unternehmer doch schon immer!“

Stimmt! Design Thinking propagiert hier also überhaupt nichts Neues, nur scheint es so zu sein, dass die Fokussierung auf Nutzer und Kundinnen durch die Industrialisierung und die Ausbildung großer Konzerne mit vielen internen Funktionen gar nicht mehr so selbstverständlich ist. Viele Mitarbeiter bekommen die Nutzer ihrer Produkte oder Services nie zu Gesicht oder arbeiten in Rollen, die mit dem Service oder Produkt gar nichts mehr zu tun haben.

Weitere Kernprinzipien von Design Thinking sind, agil und in Iterationen vorzugehen und in Experimenten ganz früh im Prozess bereits Prototypen zu erstellen, um schnell (und kosteneffizient) zu lernen. Damit geht eine neue Kultur des Ausprobierens und Experimentierens einher, in der Fehler in frühen Phasen als notwendige Lernschritte interpretiert werden. Dafür ist natürlich viel Vertrauen notwendig, dass mir nicht „der Kopf abgehackt“ wird, wenn ich mich einmal mit einer Idee aus der Deckung wage.

Dahinter steht die Einsicht, dass Kreativität eine gewisse Sicherheit benötigt, und Spaß und Spiel bei der Arbeit die Innovationspotenziale des Teams erhöhen. Gearbeitet wird darüber hinaus konsequent kollaborativ, in funktionsübergreifenden Teams, um verschiedenste Perspektiven einfließen zu lassen. Auch dies erhöht die Wahrscheinlichkeit von Neuem.

Design Thinking im agilen Umfeld

Welche Vorteile bietet Design Thinking als agiles Tool?

Nicht zuletzt durch die iterative Arbeitsweise scheint Design Thinking recht robust zu sein gegen die Komplexität einer sich schnell wandelnden Umgebung mit sich wechselseitig beeinflussenden Parametern. Design Thinking liefert darüber hinaus sehr gute Einsichten, was aus Kundensicht gemacht werden sollte und auch warum. Es werden schnell sehr gute und innovative Lösungsvorschläge im Team erarbeitet, das den Prozess meist als sehr aktivierend, spielerisch und motivierend erlebt. Eine Art von Teambuilding ist häufig ein schöner „Nebeneffekt“ von einem gut moderierten Workshop und einem professionell begleiteten Sprint. Andere agile Methoden, wie zum Beispiel Scrum, haben ihre Stärke eher darin, zu definieren wie die Lösungen genau implementiert werden können.

Umfassende Trainings sind nötig

Was sind die Grenzen der Methodik und was wird besonders oft falsch gemacht?

Falsch wurde in der Vergangenheit manchmal gemacht, dass Mitarbeiter nach einem Drei-Tages-Training zu „Design Thinking Experten“ gemacht wurden, inklusive passender Visitenkarte. Das kann nicht funktionieren, weder beim Design Thinking noch in irgendeinem anderen Bereich. Dies hat der Reputation sicher geschadet. Das geht zum Teil so weit, dass einige Kollegen, auch international, den Begriff Design Thinking ganz vermeiden. Daher achten wir insbesondere bei unseren Trainings und Zertifikaten immer sehr genau darauf, dass zwischen der Basisausbildung zum Practitioner und dem fortgeschrittenen Facilitator echte Praxiserfahrung liegt.

Design Thinking: Mehr als ein kurzer Workshop

Außerdem wird oft gedacht, Design Thinking sei ein Workshop. Dies ist nicht der Fall. Wir arbeiten teilweise an monatelangen Projekten, bei denen genau durchgeplante Workshops nur zu bestimmten Meilensteinen zum Einsatz kommen. Entscheidend ist aus meiner Sicht zu verstehen, wann Design Thinking geeignet ist, also die richtigen Situationen ausfindig machen. Dies sind wie gesagt im Kern komplexe (nicht bloß komplizierte) Situationen. Darüber hinaus ist natürlich relevant, wie die Methode zum Einsatz kommt: Meine Empfehlung ist, Design Thinking nicht isoliert zu denken, sondern integrativ und in Kombination mit anderen agilen Methoden wie Lean Start-up, Scrum und/oder Kanban.

Zusätzlich hilft es für den Changeprozess zu klären: „Wozu werden für unsere Organisation in ihrem spezifischen Umfeld und mit ihren spezifischen Herausforderungen überhaupt Design Thinking und andere agile Methoden benötigt?“ Die Beantwortung dieser Sinnfrage, auch mit dem Leadership, erleichtert meiner Erfahrung nach die Umsetzung enorm.

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