Sketchnoting: Ein Weg zu mehr kreativem Selbstbewusstsein

„Ich kann nicht zeichnen“ ist eine der häufigen Reaktionen, die ich erhalte, wenn ich meine Workshop-Teilnehmer*innen bitte, ihre Ideen oder Gedanken zu visualisieren. Diese Aussage „Ich bin einfach nicht der kreative Typ“, schließt sich oft an. Das Gefühl nicht zeichnen zu können,  scheint also direkt mit der Wahrnehmung verbunden zu sein, dass es einem an jeglicher Form von Kreativität mangelt.

Tom und David Kelly haben den Begriff „kreatives Selbstvertrauen“ geprägt und beschreiben in ihrem gleichnamigen Buch, wie sich die Kreativität, die in jedem von uns steckt, freisetzen kann. Ich möchte kreativ sein keinen falls gleichsetzen mit der Fähigkeit zeichnen oder skizzieren zu können, aber ich glaube, dass das Erlernen von Visualisierungsfähigkeiten ein erster Schritt sein kann, um Vertrauen in die eigenen kreativen Fähigkeiten zu gewinnen. Das Lustige ist, dass wir eigentlich alle dieses kreative Vertrauen hatten, als wir Kinder waren. Wir wurden damit geboren. Das gilt auch für unsere Fähigkeit zu zeichnen!

In seinem TED-Vortrag „Do schools kill creativity?“ argumentiert Ken Robinson, dass „wir nicht in die Kreativität hineinwachsen, sondern aus ihr herauswachsen. Oder noch besser gesagt, wir werden aus ihr „herausgebildet“. Robinson zufolge (und ich schließe mich seiner Meinung an) ist Kreativität jedoch genauso wichtig wie Lese- und Schreibfähigkeiten, und wir sollten ihr den gleichen Stellenwert einräumen“.

Interessanterweise spielt das Zeichnen eine wichtige Rolle bei der Art und Weise, wie Kinder ihre Ideen ausdrücken und mit anderen kommunizieren, bevor sie das Alphabet lernen und zu schreiben beginnen. Dennoch entfernen wir uns mit zunehmendem Alter vom Zeichnen als Kommunikationsmittel. Wenn wir im Erwachsenenalter wieder mit dem Zeichnen beginnen, ist das wie das Erlernen einer neuen Sprache mit einem eigenen Alphabet. Es mag nicht für jeden einfach sein, aber es ist äußerst wertvoll, diese verloren gegangene Fähigkeit wiederzuerlangen, um Innovationen in die Welt zu bringen.

In diesem Artikel möchte ich meine Ideen rund um das Sketchnoting in einem geschäftlichen Kontext mit Dir teilen:

  • Was sind Sketchnotes?
  • Warum ist es sinnvoll, in einem geschäftlichen Kontext zu zeichnen?
  • Und vor allem: Wie kann man mit Sketchnoting beginnen und dadurch Vertrauen in die eigene Kreativität aufbauen?

Was sind Sketchnotes?

Sketchnotes (Skizzen + Notizen) sind Notizen, die mit einfachen, meist zweidimensionalen Elementen ergänzt werden. Beim Sketchnoting werden komplexe Konzepte durch Kombinationen von Punkten, Linien, Quadraten, Dreiecken und Kreisen visualisiert. Sketchnotes sprechen für sich, da die elementaren Formen meist von aussagekräftigen Worten begleitet werden.

Warum ist es sinnvoll, in einem geschäftlichen Kontext zu zeichnen?

1.) Gemeinsames Verständnis

Besonders bei der Arbeit in Teams helfen visuelle Darstellungen dabei, ein gemeinsames Verständnis für das besprochene Thema zu entwickeln. Die verbale Sprache ist nur eine Art der Kommunikation, und bekanntlich können Worte auf viele verschiedene Arten verstanden und interpretiert werden. Wenn ein Gedanke durch ein Bild unterstützt wird, wird der Inhalt für andere Menschen leichter zugänglich. Vor allem in einem internationalen Kontext werden so Sprachbarrieren abgebaut.

2.) Fokus

Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen, die den Laptop für Notizen nutzen dazu neigen, das Gehörte abzuschreiben, anstatt die Informationen zu verarbeiten und neu zu formulieren. Im Gegensatz dazu ist man beim Sketchnoting im Grunde dazu gezwungen, sich zu konzentrieren und die wichtigen Informationen zusammenzufassen.

3.) Informationen besser im Gedächtnis verankern

Die Kombination von Worten und Bildern erleichtert es, Informationen in unserem Gedächtnis zu verankern. Zu diesem Thema gibt es einen interessanten TED-Talk von Graham Shaw. In seinem interaktiven Vortrag wird es erlebbar gemacht, wie viel mehr man sich durch die einfache Skizzierung von Inhalten merken kann.  Gleiches wird in der Untersuchung der Universität Plymouth festgestellt.

4.) Ansprechende Dokumentation

Aus pragmatischer Sicht sind Sketchnotes  auch einfach eine schöne und interessant aussehende Art, Inhalte und Informationen zu dokumentieren. Wir alle kennen langweilige Besprechungsnotizen, die sich am Ende niemand mehr ansehen will. Das gilt garantiert nicht für Sketchnotes.

5.) Gehirnfreundlich

Unser Gehirn ist ‚faul‘ und denkt besser mit Bildern. Tatsächlich braucht das Gehirn wesentlich weniger Zeit, um ein Bild zu erkennen, als ein Wort zu lesen. Angeblich verarbeitet das Gehirn visuelle Informationen 60.000 Mal schneller als Text. Sketchnotes sind also eine Entlastung für das Gehirn.

6.) Neue Ideen anregen

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Betrachten von Sketchnotes auch zu neuen Ideen inspiriert. Jemandem beim Visualisieren zuzusehen, fördert zudem die Zusammenarbeit: Kollegen können durch gemeinsames Zeichnen schnell auf einem Konzept aufbauen, sie assoziieren schneller und kommen auf zusätzliche Ideen.

7.) Spaß und Raum zum Experimentieren

Sketchnoting macht auch einfach eine Menge Spaß!!! Da die meisten Menschen keine exzellenten Zeichner sind und es in erster Linie um das Verstehen und nicht um Perfektion geht, bietet es Raum, Dinge auszuprobieren, sich Themen aus einer anderen Perspektive zu nähern. Kurzum: Es schafft Raum zum Experimentieren. Und glaube mir, es fühlt sich auch einfach toll an, wenn man in der Lage ist seine Inhalte visuell zu kommunizieren.

Es gibt noch viele weitere Gründe, warum Sketchnoting nützlich ist. In dieser Untersuchung findest du noch einige mehr.

Trotzdem bleibt die große Frage: Wie fängt man an?

Der erste Bleistiftstrich

Oft ist das größte Hindernis das leere Blatt Papier, das vor einem liegt. Es sieht so sauber und perfekt aus, dass der erste Bleistiftstrich es zu „ruinieren“ scheint. Es gibt zwei Empfehlungen, die ich meinen Workshopteilnehmer*innen gebe, um das Eis mit dem leeren Papier zu brechen:

  • Skizziere etwas ganz Einfaches in eine der Ecken. Das kann ein Smiley sein, ein normaler Schriftzug, man kann auch einen Rahmen um das Papier malen oder einfach das Datum schreiben. Das Wichtigste ist, dass Du den Stift auf das Papier legst.
  • Versetze Dich jetzt in die Situation, als du 5 Jahre alt warst. Erinnere Dich an die eine Zeichnung, die Du immer gemalt hast, vielleicht war es ein Haus, ein Auto, deine Familie. Was auch immer es war, skizziere es so, wie Du es mit 5 Jahren getan hast.

Nachdem Du das Bild aus deiner Kindheit skizziert hast, kannst du schnell den großen Mehrwert einer einfachen Zeichnung erkennen.

Beim Sketchnoting geht es nicht darum, ein Meisterwerk der Kunst zu schaffen, sondern darum, neue Wege zu finden, seine Ideen zu vermitteln. Es geht darum, etwas Einprägsames und Einfaches zu schaffen. Deshalb reicht es meistens aus, in 2 Dimensionen zu zeichnen.

Komplexe Ideen in einfache Elemente zerlegen

Wenn man sich die einfache Kinderzeichnung anschaut, kann man sehen, dass diese, genau wie Sketchnotes, komplexe Figuren in einfache Elemente zerlegt. Für Sketchnotes braucht man nämlich insgesamt nur 5 Elemente:

  • Punkt
  • Linien (gerade, gebogen, geschwungen)
  • Kreis
  • Dreieck
  • Quadrat

Probiere es aus und zeichne eine Blume, ein Auto, einen Ballon und eine Uhr mit diesen einfachen Elementen.

In nur zwei einfachen Schritten gelingt es Sketchnotes schick zu machen

Um Ihre Sketchnotes lebendiger aussehen zu lassen, kannst Du Schatten hinzufügen. Verwende dazu einen etwas dickeren hellgrauen Stift und setze eine zusätzliche Linie an der Innen- oder Außenseite eines Elements.

Generell ist es auch sinnvoll, über eine Farbpalette nachzudenken. Das hilft anderen, sich mehr auf das Wesentliche zu konzentrieren und Zusammenhänge besser zu verstehen. Außerdem sieht es professioneller aus, wenn du nur 2 oder 3 Farben nutzt. Entscheide Dich für einen einheitlichen Farbcode für Titel, Untertitel und erklärende Sätze sowie für wesentliche Bilder und weniger wichtige visuelle Elemente. Vielleicht möchtest Du sogar eine spezielle Farbe verwenden, um die wichtigsten Inhalte hervorzuheben.

Finde das richtige Gleichgewicht zwischen Text und Bild

Sketchnotes bestehen sowohl aus Text als auch aus Visualisierung. Welches ist also das beste Verhältnis? Sagen wir 80% Bild, 20% Text. Aber das ist nicht wissenschaftlich bewiesen :).

Texte sollten vorzugsweise sehr kurz sein: Verwende nur Schlüsselwörter und füge Aufzählungspunkte hinzu, wenn Du mehrere Aspekte hervorheben möchtest. Verwende Pfeile und Linien oder wähle die Positionen gut aus, um Zusammenhänge oder Ordnungen zu symbolisieren. Wenn möglich und sinnvoll, schreibe auch wichtige Zitate auf.

Üben, üben, üben

Es gibt viele gute Bücher, die Dir helfen, mit Deiner visuellen Bibliothek loszulegen. Zum Beispiel die Bikablo-Bücher, oder das Buch UZMO. Zögere nicht, einfach zu kopieren, was Du in den Büchern siehst. Das wird Dir den Einstieg erleichtern, und mit etwas Übung wirst Du deinen eigenen Stil entwickeln.

Ich glaube fest daran, dass Sketchnoting sehr wirkungsvoll ist, für Kommunikation und Innovation, aber auch für das eigene kreative Selbstvertrauen. Glaube an Dich selbst, dass Du es wieder lernen kannst und fange noch heute damit an. Du hast es in dir!